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Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin

Pei-Yu-Chang
Bilderbuch G

Inhalt: Herr Benjamin ist ein Philosoph mit ungewöhnlichen und brillanten Ideen. Doch eines Tages entscheidet man in seinem Land, dass ungewöhnliche Ideen nicht erwünscht sind. Er muss fliehen. Frau Fittko will ihn und andere Menschen auf geheimen Wegen über die Grenze in Sicherheit bringen. Herr Benjamin will einen schweren Koffer mit auf seinen Weg nehmen, auch wenn er ihm auf der Flucht hinderlich ist. Niemand weiß, was in dem Koffer ist. Es ist für Herrn Benjamin das Allerwichtigste, wichtiger als sein Leben. Leider gelingt Herrn Benjamin die Flucht nicht. Er verschwindet spurlos und mit ihm der Koffer. Aber das Mysterium um den Koffer bleibt bestehen.

Anmerkungen: Das Buch der taiwanesisch – deutschen Autorin erzählt mehrere Geschichten zugleich und kann auf mehrere Arten gelesen werden. Zum Einen ist es die Geschichte einer Flucht aus einem Land, in dem man nicht mehr leben kann. Es ist die Geschichte von Menschen, die mutig helfen, wie es Frau Fittko tut, über die man am Ende noch einige Informationen bekommt. Es ist die Geschichte von Herrn Benjamin Walter, der in seinem Koffer etwas mitschleppt, was wichtiger ist als sein Leben. Man kann mit den Kindern ausgehend vom Buch gut darüber sprechen, was man auf einer solchen Flucht wohl mitnehmen wird. Was wird im Koffer von Herrn Benjamin gewesen sein? Man kann aber auch auf das eigene Leben blicken: Was ist für die Kinder das Allerwichtigste? Was würden sie mitnehmen? Würde es in einen Koffer passen, wie er auf dem Vorsatzblatt abgebildet ist?

Mit einem Koffer voller Bücher

Muzoon Almellehan
IK Erstes Lesealter

Inhalt: Muzoon erzählt in einfachen und kurzen Sätzen von ihrer Kindheit. Sie beginnt in Syrien, wo sie vor dem Krieg ein unbeschwertes Leben führt, mit ihren Freunden und Cousinen Spaß hat und spielt. Dann kommt der Krieg, Bomben fallen, es gibt wenig zu essen, Wasser und Strom werden knapp. Der Vater beschließt, dass die Familie nach Jordanien fliehen muss. Sie dürfen nur das Wichtigste mitnehmen. Muzoon packt ihren Koffer mit Büchern voll. Bildung ist für sie das Wichtigste. So geht sie auch im Flüchtlingslager in Jordanien in die Schule und lernt. Sie überzeugt Eltern anderer Kinder, auch ihre Kinder in die Schule zu schicken. Die Familie kam schlussendlich nach England und auch dort ging Muzoon in die Schule.

 

Anmerkungen: Die Themen Krieg und Flucht sind für ein Erstlesebuch keine leichte Kost. Muzoon beschönigt nichts, erzählt aber sehr ruhig und lenkt den Blick immer wieder auf das Positive, auf die Bücher und das Lernen, das ihr Halt und eine Zukunft gegeben haben. Auch die Illustrationen sind sehr liebevoll gestaltet und vermitteln auch bei dunklen Szenen eine gewisse Geborgenheit.

Muzoon Alellehon wurde zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt gewählt und ist UNICEF Botschafterin. Sie setzt sich seit Jahren für Kinderrechte, unter anderem das Recht auf Bildung ein, und besitzt einen Ehrendoktor. Die vielen Spiele am Ende des Buches lassen sich gut in der Klasse nachspielen und geben dem Buch damit noch eine weitere Einsatzebene.

 

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Bestimmt wird alles gut                              Aus der Perspektive der Flüchtenden

Kirsten Boie, Jan Birck
IK Familie
48 Seiten
alle Lesealter

Inhalt: Früher haben Rahaf und Hassan gemeinsam mit ihrer Großfamilie in der syrischen Stadt Homs gewohnt und es schön gehabt. Aber dann kamen immer öfter die Flugzeuge und man musste immerzu Angst haben. Da haben die Eltern beschlossen wegzugehen in ein anderes Land. Das Buch erzählt, wie sie über Ägypten in einem viel zu kleinen Schiff nach Italien gereist sind und von dort weiter nach Deutschland. Sie treffen auf freundliche Leute und auch auf solche, die ihnen mit Härte und Unfreundlichkeit begegnen. Sie landen schließlich in einem Erstaufnahmelager und dann in einem Container. Die Kinder gehen zur Schule, lernen dort Deutsch und finden Freund*innen.

Anmerkungen: Kristen Boie erzählt diese wahre Geschichte sehr einfühlsam, in einfachen Worten, die aber tief gehen. Die Gründe für die Flucht werden klar angesprochen, ebenso wie die Gefahren auf dem Weg nach Europa. Die Schwierigkeiten einer Flüchtlingsfamilie werden thematisiert – Wohnung, Sprache, Arbeit, Sehnsucht nach denen, die zurückgelassen wurden, Existenzängste. Aber bei all dem, ist immer auch Zuversicht spürbar –das Vertrauen darauf, dass alles gut wird – bestimmt. Man kann das Buch deshalb auch schon mit jungen Kindern anschauen, bzw. es vorlesen und mit ihnen über das Thema Flucht sprechen. Es wurde in Deutsch und Arabisch gedruckt, sodass es auch von Kindern aus Flüchtlingsfamilien verstanden werden kann. Am Schluss des Buches gibt es einen kleinen Sprachführer in Deutsch und Arabisch.

Die Geschichte war eigentlich eine Auftragsarbeit des Onilo – Verlages und man kann sich auf der Homepage unter https://www.onilo.de/boardstory/bestimmt-wird-alles-gut eine 32 minütige Boardstory anschauen.

 

 

 

 

 

King kommt noch                           Aus der Perspektive der Flüchtenden

Andrea Karimè
IK Familie
40 Seiten
alle Lesealter

Inhalt: Ein kleiner Junge ist mit den Eltern und dem neuen Baby vor dem Krieg in seiner Heimat in ein fremdes Land gezogen. Seinen Hund King musste er zurücklassen. Die Mutter versteht die Sehnsucht des Jungen nach seinem Freund und tröstet ihn mit dem Satz „King kommt noch“. Also wartet der Junge und spricht in Gedanken immer wieder mit dem Hund, gibt ihm Tipps, wie er ihn finden kann. Dafür beobachtet er seine Umgebung ganz genau und wundert sich über vieles, was ihm völlig fremd ist – wie z. B. die Tatsache, dass man Hundedreck in eine Tüte füllt und wegträgt, dass man nackte Puppen in Schaufenster stellt, …. Er lernt aber auch langsam Menschen kennen und so wird ihm die neue Umgebung vertrauter. Doch die aufregendste Entdeckung macht er, als er die Bücher zu lesen lernt, deren Wörter er nicht versteht. Mit einer Taschenlampe erweckt er die Bilder darin zum Leben. Und auf einem, dem wunderbarsten, findet er einen Hund: Es ist King und er hat Flügel! Jetzt weiß er wirklich: King kommt noch!

Anmerkungen: Das Buch erzählt eine sehr einfache Geschichte, aber mit sehr viel Herz und Tiefe. Die Sehnsucht des Jungen nach dem Hund ist sicher auch für die Kinder gut nachvollziehbar. In Gesprächen kann man dann auch gut aufarbeiten, wie seltsam manches, das für uns ganz logisch und gewohnt ist, für Menschen ist, die aus einer anderen „Normalität“ kommen. Durch die Gedanken und die Fragen des Jungen wird das gut erlebbar. Man erfährt im Buch aber auch zwischen den Zeilen oder durch schlichte Sätze, wie es ist, wenn man in ein fremdes Land kommt, z.B. „In dem fremden Land weiß Mama auch nicht mehr viel“ oder „Ich kann nicht mehr lesen. Mama und Papa können hier auch nicht mehr lesen“. Aus den Ratschlägen, die der Junge dem Hund für die Reise zu ihm gibt, erfährt man auch etwas über die Gefahren der Flucht. Diese Informationen sind durch diesen Kunstgriff aber nicht dramatisch und so kann man sie auch jungen Kindern zumuten.

 

 

Pudel mit Pommes                        Hauptsächlich aus der Perspektive der Flüchtenden

Pija Lindenbaum
Bilderbuch P

Inhalt: Die drei Hunde Ullis, Ludde und Katta leben mit dem kleinen Wauwau auf einer schönen Insel, haben ein hübsches Haus, einen Pool und genug Kartoffeln zu essen. Als es sehr lange nicht mehr regnet, verdorrt alles, bald haben sie nichts mehr zu essen und zu trinken. Wenn sie nicht verhungern wollen, müssen sie die Insel in ihrem kleinen Boot verlassen. Auf ihrer gefährlichen Fahrt auf dem Meer geraten sie in einen schlimmen Sturm, das Benzin geht aus, sie müssen rudern, bis sie schließlich schrecklich erschöpft in ein anderes Land kommen, in dem drei Pudel leben. Zwei von ihnen helfen den Flüchtlingen, doch der dritte will ihnen nichts von den reichlich vorhandenen Kartoffeln geben und sie nicht im Haus schlafen lassen. Ullis, Ludde und Katta bekommen eine Kartoffel und eine Decke als Zelt - doch in der Nacht bringen ihnen die beiden netten Pudel zu essen und sitzen mit ihnen am Feuer. Schließlich lenkt auch der böse Pudel ein: die drei Flüchtlinge ziehen ins Haus und zeigen den Pudeln, wie man einen Pool baut.

Anmerkungen: Das Thema Flucht und Aufnahme von Flüchtlingen wird ganz kindgerecht thematisiert – mit allem, was es beinhaltet an Gefahren, Ablehnung, Vorurteilen, Annäherungen. Da Hunde die Protagonisten sind, ist es für Kinder auch leicht verdaulich.

 

Ramas Flucht                                   Hauptsächlich aus der Perspektive der Flüchtenden

Margriet Ruurs, Nizar Ali Badr
IK Mehrsprachigkeit
48 Seiten

Inhalt: Rama lebt glücklich mit ihrer Familie in einem arabischen Land. Doch dann kommen Unfreiheit und Krieg. Viele Menschen beginnen zu fliehen auf der Suche nach einem Ort, an dem sie besser leben können. Schließlich entschließt sich auch die Familie zur Flucht, lässt alles zurück und macht sich auf den Weg ins Ungewisse. Der Weg ist lang und gefährlich, doch die Familie hat Glück: sie finden ein neues, sicheres Zuhause, wo sie freundlich aufgenommen werden.

Anmerkungen: Erzählt wird diese Geschichte von einem betroffenen Kind, in Worten, die ganz einfach und poetisch, aber zugleich sehr bewegend sind. Man fühlt mit, man leidet mit und am Ende ist man ganz erleichtert, weil sie es gut getroffen haben. Es wird nicht dramatisiert, aber ehrlich erzählt. Die Geschichte zeigt die Menschlichkeit des Seins auf und ist trotzdem gut für das Lesealter ab 5 Jahren geeignet. Es geht nicht darum, wer hier wem warum helfen muss, sondern wie es sich anfühlen kann, alles hinter sich zu lassen und neu zu starten.

Der Text liegt in Deutsch und Arabisch vor. Das Besondere an diesem Buch ist neben der leisen und eindringlichen Sprache aber sicher die Bildsprache. Wie im Nachwort erklärt wird, bildet ein syrischer Künstler aus Steinen Figuren und Szenen ab, die fotografiert werden. Die Bilder sind sehr ausdrucksstark und bilden mit dem Text eine schöne Einheit.

Ich und meine Angst

Francesca Sanna
Bilderbuch I
36 Seiten

Inhalt: Das Buch knüpft an das Bilderbuch „Die Flucht“ von der italienischen Autorin und Illustratorin Francesca Sanna an, in dem sie aus Kinderperspektive über den beschwerlichen Weg einer Familie aus einem Kriegsgebiet nach Europa in Sicherheit erzählt.
Das Mädchen ist nun in ihrer neuen Heimat angekommen und geht dort zur Schule. Begleitet wird es stets von seiner alten Bekannten, der Angst. Seine winzige Freundin, anfangs dargestellt als niedliches, kleines, weißes Wesen, kennt sie schon seit Ewigkeiten. Früher wurde es von ihr beschützt, doch seit einiger Zeit wird das Gefühl immer größer. Es hindert das Mädchen daran, die neue Umgebung zu erkunden, Freund*innen zu finden. „Ich verstehe niemanden und niemand versteht mich“, sagt das Mädchen. Bis sich eines Tages ein Mitschüler ihm gegenüber öffnet, auch er hat Angst…

Anmerkungen: Francesca Sanna zeigt auf, dass wir Zuspruch und Freundschaft finden können, wenn wir es wagen, über unsere Ängste zu sprechen und sie mit anderen zu teilen.
Francesca Sanna hat für dieses Werk Kindern mit Fluchterfahrung zugehört.

 

 

Flucht                                  Hauptsächlich aus der Perspektive der Flüchtenden

Niki Glattauer, Verena Hochleitner
IK Länder und Völker
32 Seiten

Inhalt: Es ist eine Katze namens E.T., die die Geschichte der Flucht einer Familie erzählt. Sie darf nämlich mit auf die lange Reise, weil Katzen sieben Leben haben. Das macht dann zusammen mit den vier Leben der Menschen elf – und die werden sie brauchen, meint der Vater. Die Familie verlässt ihre Heimat, weil es nach einer großen Explosion keinen Strom mehr gab und in der Folge dann keine Möglichkeit zu heizen und zu kochen. Das Wasser bleibt aus, die Türen müssen verheizt werden, Schulen gibt es keine mehr. Also fliehen die Menschen – und so auch die Familie samt Katze - in kleinen Booten übers Meer. Die Fahrt ist gefährlich, es gibt Sturm, das Mädchen fällt ins Wasser, kann aber gerettet werden. Sorgen darüber, was sie sie in der neuen Heimat vorfinden werden und wie sie aufgenommen werden, drücken zusätzlich. Endlich werden sie gerettet und kommen an Land – und da, auf der letzten Seite, erfährt man auch, dass sie von Europa aus geflüchtet sind

Anmerkungen: Ein bewegendes Buch, das sicher Begleitung braucht, damit die Kinder die Geschichte verstehen und verarbeiten. Die Idee, eine Flucht von Nord nach Süd zu beschreiben, ist sicher gut geeignet, um sich selber in die Rolle der Flüchtenden zu versetzen. Aber wie gesagt, dafür braucht es das Gespräch mit Erwachsenen.

Das neue Nest der kleinen Marsupilamis             Hauptsächlich aus der Perspektive der Flüchtenden

Benjamin Chaud
Bilderbuch N

Inhalt: Ein schlimmer Sturm zwingt die Marsupilamis ihre Heimat zu verlassen. Nun sind sie auf der Suche nach einem Platz für ein neues Nest. Doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Die Papageien teilen ihre Äste nicht, das Gürteltier beansprucht die Höhle unter den großen Steinen, auch die Kakteen, die Blätter im Teich und sogar die Mistkugel sind bereits besetzt. Doch wie so oft kommt ihnen der Zufall zur Hilfe. Als der Feuchtnasenaffe ins Wasser fällt und nur durch die Hilfe der Marsupilamis gerettet werden kann, haben sie die zündende Idee. Sie hängen ihr Nest an einer Schnur über den Wasserfall auf. Dort sind sie glücklich und haben auch Platz für ihre neuen Freunde, die sie bei der Rettungsaktion gefunden haben.

 

Anmerkungen: Eine schöne Geschichte über den Verlust der Heimat und den Zauber, der in einem Neuanfang liegen kann. Geschichte und Illustrationen funktionieren ganz ohne erhobenen Zeigefinger und sind heiter und witzig. Hier bieten sich viele Möglichkeiten, mit Kindern über zahlreiche Themen ins Gespräch zu kommen, sei es nun der Verlust der Heimat, der Umzug, der Zuzug neuer Familien oder aber auch das Leben im Urwald, die verschiedenen Tiere, die Ansprüche der verschiedenen Tiere an ihren Lebensraum.

Neues Zuhause gesucht!                             Hauptsächlich aus der Perspektive der Flüchtenden

John Chambers, Henrike Wilson
Bilderbuch N

Inhalt: Der kleine Pinguin erzählt, wie gut es ihm und den anderen Pinguinen in Schnee und Eis ging. Doch dann kam der Krieg und sie mussten fliehen. Die Flucht ist gefährlich. Doch sie kommen wohlbehalten in einer neuen, anderen Welt an. Hier ist alles fremd. Fremd sind auch die Tiere, die dort leben. Wie werden sie die Pinguine aufnehmen? Der kleine Pinguin findet Freunde und auch die Erwachsenen kommen den anderen Tieren langsam näher. Die Pinguine haben ein neues Zuhause gefunden und können in Sicherheit und Geborgenheit leben. Einige bleiben in dieser neuen Welt, andere ziehen weiter.

Anmerkungen: Das Buch kommt mit wenigen Worten aus, die aber sind sehr eindrücklich und weise. Die Bilder erzählen die Geschichte über die Worte hinaus weiter und machen die Gefühle der Tiere deutlich. Sie bieten viele Sprech- und Erzählanlässe. Die Darstellung der Geschehnisse und die dazu getroffene Farbwahl unterstreicht außerdem gekonnt die jeweilige Gefühlswelt. Das Buch ist schon für junge Kinder geeignet, um das Thema „Flucht“ und „Fremdsein“ zu besprechen und um zu zeigen, wie wichtig es ist, auf andere Menschen offen zuzugehen.

Meine liebsten Dinge müssen mit           Hauptsächlich aus der Perspektive der Flüchtenden

Sepideh Sarihi, Julie Völk
Bilderbuch M

Inhalt: Im Buch erzählt ein Mädchen davon, dass es in ein anderes Land ziehen wird. Es darf nur einen Koffer mitnehmen und soll dort seine wichtigsten Sachen einpacken. Aber wie soll es das schaffen, wenn seine wichtigsten Sachen ein Aquarium, Opas Holzstuhl, der Birnbaum im Hof, ein netter singender Busfahrer, die beste Freundin und das Meer sind? Am Meer hat es dann auch die zündende Idee: Es schickt die liebsten Sachen in einer Flaschenpost übers Meer in die neue Heimat. Das geht nur mit ganz viel Geduld. „Ich weiß, dass es vielleicht ein bisschen länger dauern kann. Aber das ist nicht schlimm, das kann warten.“

Anmerkungen: In dem Buch wird nie von Flucht oder Auswanderung gesprochen. Das Kind erlebt es als Umzug in eine «neue Wohnung». Doch anhand der Bilder versteht man, dass die Familie aus einem anderen Land weggeht und sich eine neue Heimat sucht. Man kann ausgehend vom Buch den Aspekt des Zurücklassen – Müssens gut thematisieren, der ja ein zentraler beim Thema Migration oder Flucht ist. Man kann darüber sprechen, was für jedes Kind die wichtigsten Dinge sind, die sie persönlich mitnehmen würden. Man kann darüber sprechen, was man mitnehmen kann in ein neues Land, aber auch darüber, was sich nicht mitnehmen lässt, was einem hilft, sich irgendwo wieder heimisch zu fühlen und was man vermisst.

Plötzlich war Lysander da            Hauptsächlich aus der Perspektive der Aufnahmegesellschaft

Antje Damm
Bilderbuch P

Inhalt: Drei Mäuse erhalten völlig unerwartet einen Brief vom Bürgermeister, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass bei ihnen jemand einziehen soll, der kein Zuhause mehr hat. Die Mäuse reagieren mit Unwillen, sie haben doch keinen Platz und das Essen reicht auch nicht. Aber sie trauen sich nicht, ihr Mauseloch einfach zu verrammeln. So taucht dann ein Lurch namens Lysander auf, der erst mal schlafen geht nach der anstrengenden Reise. Am nächsten Tag badet er und füllt dann die Wanne mit Erde und legt kleine Körnchen in den Matsch. Die Mäuse verstehen ihn nicht und sind empört – er bringt alles durcheinander. Doch dann wachsen aus der Badewanne wunderbare Pflanzen und nun gibt es bei den Mäusen auch noch Salat zu den üblichen Kartoffeln und alle sitzen einträchtig am Tisch.

Anmerkungen: Das Buch ist in der besonderen Collagetechnik erstellt, für die Antje Damm bekannt ist. Dieses Mal hat sie die Kartonwelt zu einer Höhle gestaltet und die Mäusefamilie und Lysander als Figuren hineingestellt. Dann hat sie das Ganze fotografiert. Diese Technik vermittelt einen tollen 3D- Effekt. Man kann sich auch für den KuTe Unterricht inspirieren lassen.

Die Geschichte kommt mit wenigen Worten aus und ist sehr einfach. Sie bietet aber einen guten Einstieg, um über das Thema „Flüchtling, Fremde, andere Gewohnheiten etc.“ zu sprechen. Die Mäuse haben zuerst viele Bedenken, sie sehen die Unterschiede, das Trennende und wollen nicht mit Lysander teilen. Sie merken dann aber, dass Lysander etwas Neues in ihr Leben, in ihre Mäusekultur bringt, dass er etwas weiß und kann, was sie nicht wissen und dass auch ihr Leben dadurch bereichert wird.

Am Tag, als Saída zu uns kam              Hauptsächlich aus der Perspektive der Aufnahmegesellschaft

Susana Gómez Redondo, Sonja Wimmer
Bilderbuch A

Inhalt: Der Tag, an dem die Ich-Erzählerin zum ersten Mal Saída trifft, ist für sie ein glücklicher. Saìda hingegen weint und ist traurig. Sie sagt nichts, sie hat ihre Wörter verloren. Die Erzählerin sucht nach den verlorenen Wörtern und so malen sie schließlich Willkommensbilder in den Schnee. Mama und Papa erklären, warum das Mädchen aus Marokko nichts sagt. Kurzerhand beschließt die Kleine, die ihre Freundin werden will, Saída zu helfen, Wörter aus der noch fremden Sprache zu lernen und sie gleichzeitig zu bitten, ihr Arabisch beizubringen. Es entsteht ein reger Austausch: fremdländische Wörter gegen eigene, unbekannte Laute gegen vertraute, Schriftzeichen, die Blumen ähneln, gegen Buchstaben aus Balken und Kreisen. Darüber wird es Frühling. Die beiden Kinder verstehen sich in jeder Hinsicht immer besser und überwinden (Sprach-)Barrieren. Sie träumen davon, später einmal gemeinsam nach Marokko zu reisen und dabei das Wort „Grenze“ über Bord zu werfen.

 

Anmerkungen: Dieses Bilderbuch ist sehr poetisch. Es hat eine wunderbare Sprache und macht auch Lust auf Sprachen, auf Wörter der eigenen Sprache und einer fremden Sprache. Es thematisiert zwar das Thema Migration, beschränkt sich aber ganz auf den Aspekt der Sprache. Es eignet sich gut, um gemeinsam mit den Kindern darüber nachzudenken, wie es einem geht, wenn man nicht versteht, was gesprochen wird und auf welchen Wegen man eine neue Sprache erlernt. Dieser Prozess des Sprachenlernens ist kein einseitiger – beide Mädchen lernen die jeweils andere Sprache und erobern sich damit eine neue Welt. Die Bereicherung, die darin liegt, wird gut vermittelt: „So erfuhr ich dank Saída von anderen Ländern und anderen Sprachen“. Die Mädchen entdecken die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede ihrer Sprachen und Laute und finden es beglückend. Das Buch eignet sich auch gut, um über Wörter und Sprache ganz allgemein zu sprechen: Welche Wörter sind so warm wie der Atem oder so kalt wie Metall, welche Wörter trennen, verbinden, verletzen, kitzeln, streicheln,…?

Auch die Illustrationen sind sehr poetisch und kunstvoll.

 

 

 

Wie ist es, wenn man kein Zuhause hat? Alles über Flucht und Migration

Ceri Roberts, Hanane Kai
IK Länder und Völker
32 Seiten
ab 5 Jahre

Inhalt: Dieses Sachbuch beantwortet in einfacher und für Kinder gut verständlicher Sprache Fragen, die sich zum Thema Flucht und Migration stellen: Was ist ein Flüchtling? Was ein Migrant? Wer sind diese Menschen und warum müssen sie ihr Zuhause verlassen? Wie sind sie unterwegs und wohin gehen sie? Was passiert mit ihnen? Wer hilft ihnen? Und warum geht mich das etwas an?
Um sich weiter zu informieren findet man am Ende des Buches eine Linkliste zu Internetseiten unterschiedlichster Organisationen, die sich allerdings mehr an den vorlesenden Erwachsenen richten. Am Ende des Buches werden dann noch einmal wichtige Wörter des Textes kurz erklärt.

Der Autorin gelingt es, die Leserinnen und Leser immer wieder direkt anzusprechen und einzubeziehen, indem sie zum Nachdenken über sich und die Welt der Flüchtlinge und Migranten anregt. „Wie würdest Du dich fühlen? Hast Du schon mal so etwas erlebt? Wie war das bei dir?
Was könntest Du tun?“

Anmerkungen: Die Texte sind einfach und kindgerecht, aber dennoch ehrlich und klar. Es werden viele Aspekte des Themas angesprochen – Gründe für Flucht, Schlepperei, Asylrecht, Abschiebung, Lager, Hilfsorganisationen. Obwohl das heftige Themen sind, ist der Grundton des Buches ein positiver – die Autorin weist darauf hin, dass viele kluge Menschen auf der Welt unermüdlich daran arbeiten, dass die Welt gerechter und friedlicher wird. Eine Botschaft, die für Kinder wichtig und tröstlich ist. Was im Buch fehlt, ist der Aspekt, dass die Menschen, die migrieren oder flüchten, in den Aufnahmeländern nicht immer positiv aufgenommen werden und dass sie oft Anfeindungen ausgesetzt sind. Es fehlt vielleicht auch der Aspekt, dass Migrant*innen nicht nur Hilfsempfänger sind, sondern selber viele Kompetenzen haben. Aber alles in allem gibt das Buch sehr gute Informationen und hilft, Kindern dieses Thema zu erklären.

 

 

 

 

Punkte

Giancarlo Macrì du Carolina Zanotti
Bilderbuch P

Inhalt: Das italienische Autorenpaar erzählt die Geschichte eines kleinen schwarzen Punktes, der mit seinen vielen Freunden eine großformatige Buchseite füllen kann. Ihnen geht es gut, sie haben alles, was sie brauchen. Da kommt ein anderer Punkt, ein Kringel … auch davon gibt es sehr viele. Ihnen geht es aber nicht so gut, es fehlt an Dingen, die sie zum Leben brauchen. Die Kringelgruppe möchte deshalb gern auf die Seite der Punkte kommen. Die Schwarzpunkte lassen an wenigen Übergängen ein paar Kringel ein. Als nun viele Kringel nachdrängen, schreit jemand Stopp, nicht drängeln! Die Punkte überlegen sich eine Lösung und gehen zu den Kringeln, um ihnen zu helfen. Sie bilden nun gemeinsam Gegenstände. Als Lösung bietet die Geschichte eine Gesellschaft an, in der alle Mitglieder halb Punkt und halb Kringel sind.

Anmerkungen: Dieses Bilderbuch versucht, die schwierigen Fragen von Migration, Arm und Reich, Integration und Solidarität mit Punkten zu visualisieren und mit knappen Texten zu begleiten. Es gibt sogar ein Parlament aus Punkten, das über das Schicksal vieler Flüchtlinge entscheidet. Die Geschichte zeigt, dass es nur mit Zusammenarbeit gelingen kann, fliehende Menschen und Menschen, die in ihrer Heimat aufgewachsen sind, zusammenzubringen.

Allerdings ist es ein bisschen schade, dass es so dargestellt wird, dass die Punkte die Lösung haben und dann den Kringeln helfen. Die Kompetenzen der Kringel werden gar nicht gezeigt, sie werden zu Hilfsempfängern „degradiert“. Auch die letzte Seite kann man durchaus kritisch sehen. Sie zeigt zwar, dass jeder vom anderen etwas annimmt, wenn Begegnung entsteht. Auf der anderen Seite werden aber auch beide gleich gemacht – es kann der Eindruck entstehen, als bräuchte es Assimilierung, damit ein Zusammenleben möglich ist. Aber das sind sicher Fragen, die man auch mit den Kindern besprechen kann.

 

Alles lief gut                      Hauptsächlich aus der Perspektive der Aufnahmegesellschaft

Franck Prévot
Bilderbuch A

Inhalt: Die roten Knöpfe leben als harmonische Gemeinschaft zusammen, bis plötzlich merkwürdige, andersfarbige Knöpfe in ihr Hoheitsgebiet eindringen. Die Neuen, die blauen Knöpfe, werden zunächst skeptisch abgelehnt, dann genauer unter die Lupe genommen, bis man ihre Kontaktversuche schließlich zulässt, und sie akzeptiert und integriert werden. Alles scheint gut. Doch da lauert schon die nächste Bedrohung: Ein neuer Knopf, noch merkwürdiger als die blauen, stört bald die neu gewonnene Harmonie. Was soll denn das schon wieder?

Anmerkungen: Das Buch regt zum Nachdenken über Andersartigkeit und Integration an. Die Knöpfe sind zwar abstrakte Symbole, machen aber die Mechanismen, die ablaufen, sehr gut deutlich.

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Funklerwald

Stefanie Taschinski
IK Tiere
250 Seiten
ab 9 Jahren

Inhalt: Das Luchsmädchen Lumi lebt mit ihrer Tante Kette und anderen Waldtieren im Funklerwald. Eines Tages tauchen unbekannte Tiere auf, Waschbären. Die Waschbärenfamilie hat ihr Zuhause in einem Brand verloren, der Vater ist verletzt, die Mutter trächtig und sie suchen nun im Funklerwald ein neues Zuhause. Dort aber begegnet man ihnen mit Misstrauen. Die Kratzer, wie man sie nennt, gehören nicht hierher. Sie sollen wieder verschwinden. Lumi freundet sich aber mit dem kleinen Waschbärenjungen Rus an und gemeinsam machen sie auch auf den Weg, um den Wandelbaum zu finden, der den Waschbären ein Bleiberecht im Funklerwald geben könnte. Sie schaffen es, vielen Gefahren zum Trotz, und so wird am Ende allen Tieren klar, dass im Funklerwald auch ein Platz für die Waschbären ist.

Anmerkungen: Sehr kindgerecht erzählt, voller Emotionen und mit vielen Identifikationsmöglichkeiten für die Kinder. Die Waldtiere kennen die Waschbären nicht, haben aber viele Vorurteile und vorgefasste Bilder. Sie gehen davon aus, dass sie das Recht haben, zu bestimmen, wer im Wald leben darf, weil sie schon länger da sind. Die Kraft der Freundschaft der Tierkinder Lumi und Rus schafft es jedoch, die anderen zu überzeugen und nachdem die Waldtiere die Waschbären kennengelernt haben, sehen sie, dass viele ihrer Meinungen falsch waren. Es geht um Toleranz, Akzeptanz und um Offenheit.

Der reichste Junge der Welt

Markus Orths
IK Familie
77 Seiten
ab 7 Jahren

Inhalt: Jakob lebt mit seinem Papa allein in einem riesigen noblen Haus. Sein Papa ist ein Stararchitekt und dementsprechend vielbeschäftigt. Jakob isst stets bei seiner Oma, bei der er auch die Nachmittage verbringt. Seine Oma engagiert sich in der Betreuung von Flüchtlingen und so lernt Jakob bei ihr Aysha und ihren kleinen Sohn Bassam kennen. Bassam ist traumatisiert, spricht nicht, lächelt nicht und zeigt manchmal ganz unvermittelt seltsame Verhaltensweisen. Aysha erzählt von ihrem Leben vor der Flucht und von der Flucht. Als Jakob und sein Papa an Halloween von einer Feier in der Stadt zurückkommen, ist das ganze Haus leergeräumt. Fast alle Dinge wurden gestohlen. Nach dem anfänglichen Schock gewinnt Jakob dem leeren Haus auch etwas Gutes ab. Er spielt mit Papa darin Fußball und sie schlafen in Papas altem Zelt. Jakob träumt davon, dass Aysha und Bassam und auch Oma zu ihnen ziehen, und dass das Haus und das Leben dann gemütlicher, wärmer wird. Vielleicht wird Bassam dann ja auch eines Tages wieder lächeln.

Anmerkungen: Eine sehr nette, kindgerechte Geschichte aus der Sicht eines Jungen. Er liebt Fußball und bringt immer wieder Bilder und Vergleiche aus der Fußballwelt. Das Thema Flucht ist nicht das zentrale Thema, aber es wird gut in die Geschichte eingebaut und das Schicksal von Ahysha und Bassam wird durch die Gedanken von Jakob, durch seine unschuldigen Fragen gut in einen Kontext gebracht.